Grundlegende Prinzipien bei der Arbeit mit Somatic Experiencing
Ressourcenorientierung, Pendeln, Titration und Tracking
Richard Geier
10/15/2025


Bei Somatic Experiencing gibt es verschiedene Grundprinzipien und Ideen, die bei jeder Prozessbegleitung das Fundament bilden. Diese sind unter anderem:
Ressourcenorientierung
Körpererempfindungen wahrnehmen (Tracking)
Kleinschrittiges Vorgehen (Titration)
Pendeln
Ressourcenorientierung
Bei der Arbeit mit Somatic Experiencing werden Ressourcen genutzt, um sich tendenziell schwierigen Inhalten zuwenden zu können. Ressourcen bilden sozusagen den Boden, von dem aus wir uns traumatischen Inhalten widmen.
Wo nicht ausreichend Ressourcen sind, kann keine Traumaintegration stattfinden, da schnell wieder eine Überwältigung eintritt. Je nach Lebensgeschichte und individueller Prägung kann es in Prozessen zunächst vordergründig darum gehen, Ressourcen aufzubauen und zu stärken.
Ressourcen sind dabei alle Dinge im Innen wie im Außen, die es uns ermöglichen uns ruhiger und weniger aktiviert zu fühlen.
Tracking
.. meint das Verfolgen und Beschreiben von Körperempfindungen an bestimmten Stellen im Begleitungsprozess (z.B. wenn Erinnerungen an bestimmte Situationen auftauchen).
Dies geschieht durch angemessenes Fragen von Seiten der Begleitung. Ein allgemeines Schema könnte etwa so aussehen:
Was bemerkst du gerade?
Wo bemerkst du das in deinem Körper?
Wie genau? (Bilder die auftauchen, Größe, Farbe, Form, Bewegung)
Was passiert als nächstes?
Wie ist es im Rest deines Körpers?
Mit dem Tracking können - die bei Trauma häufig abgespaltenen - Körperempfindungen wieder hergestellt werden. Im Zusammenspiel mit der dadurch entstehenden Verlangsamung des Nervensystems steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unvollendete Reaktionen des autonomen Nervensystems (Fight, Flight, Freeze) sich Vervollständigen können.
Wiederholtes Tracking erhöht ausserdem das Bewusstsein für körperliche Empfindungen, wodurch sich die Fähigkeit zur Selbstregulation erhöht und damit auch die allgemeine Resilienz zunimmt.
Titration
Ein wesentliches Merkmal von Trauma ist ein "zu viel". Durch Titration soll sichergestellt werden, dass sich diese Erfahrung nicht wiederholt. Das geschieht, indem traumatisierende Erfahrungen in kleinen, überschaubaren Schritten bearbeitet werden, um das Nervensystem nicht zu überfordern. Dabei wird die Arbeit langsam und behutsam durchgeführt, ähnlich wie bei der schrittweisen Dosisanpassung in der Medizin, um das Erleben zu integrieren und Retraumatisierung (ein erneutes "zu viel") zu vermeiden.
Pendeln
Pendeln beschreibt den Vorgang, zwischen der traumatischen Ladung (also der im Trauma gebundenen Energie) und dem intakten, gesunden Anteilen in uns hin und her zu wechseln.
Durch das Pendeln wird die im Trauma gebundene Energie Stück für Stück dem Organismus wieder zur Verfügung gestellt. Die Größe und Dauer der Pendelbewegungen nimmt im Prozess zu, bis alle gebundene Energie wieder reintegriert wurde.
Im Grunde beschreibt das Pendeln also das Wechseln zwischen einer traumatischen Erinnerung und einer Ressource, wodurch in einem sicheren Rahmen die im autonomen Nervensystem gespeicherte Energie abgebaut werden kann und wieder verfügbar gemacht wird.
Siehe dazu auch das Schaubild unten (eigene Darstellung).


Quellen & weiterführende Literatur
Payne, P., Levine, P. A., & Crane-Godreau, M. A. (2015). Somatic Experiencing: Using interoception and proprioception as core elements of trauma therapy. Frontiers in Psychology, 6, 93. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2015.00093
Kuhfuß, M., Maldei, T., Hetmanek, A., & Baumann, N. (2021). Somatic Experiencing – Effectiveness and key factors of a body-oriented trauma therapy: A scoping literature review. European Journal of Psychotraumatology, 12(1), 1929023. https://doi.org/10.1080/20008198.2021.1929023
Somatic Experiencing Europe (EASE). (2024). Standards and Guidelines for SE in Europe. European Association for Somatic Experiencing. Verfügbar unter: https://somatic-experiencing-europe.org/wp-content/uploads/2024/10/Standards-and-Guidelines-for-SE-in-Europe-2024-10.pdf